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Interview mit Susanne Schröder von den Driving Doctors

Im Rahmen des Bildungsprojektes „Großbaustelle Arzneimittelversorgung“ konnten im letzten Jahr mehrere Interviews mit Akteuren im Globalen Süden geführt werden. Thema war der Zugang zu Gesundheitsleistungen wie Medikamenten oder gesundheitsbezogenem Wissen. Susanne Schröder lässt uns an ihren Erfahrungen teilhaben und berichtet von der Situation im westafrikanischen Sierra Leone.

Susanne Schröder ist biologisch technische Assistentin, Betriebswirtin und hat einen Bachelorabschluss in International Business Communication. Als Betriebswirtin war Susanne Schröder in verschiedenen NGOs in Sierra Leone als Country Director tätig. 2006 hat sie zusammen mit dem die Driving Doctors Sierra Leone gegründet. Das fahrende Team aus einheimischen Hebammen und KrankenpflegerInnen will mit ihrem mobilen Angebot die Mutter-Kind-Gesundheit in ländlichen Regionen stärken. Mehr Infos unter: www.driving-ymca-doctor.org

Woran denkst Du, wenn Du „Großbaustelle Arzneimittelversorgung“ hörst?

Da fällt mir unter anderem ein, dass ein ganz großer Teil der Arzneimittel, die auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der WHO in Sierra Leone überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Zum einen, weil die finanziellen Mittel nicht gegeben sind. Zum anderen existieren Lagerprobleme, oder aber es hapert an der Ausbildung des Personals vor Ort. Es sind ja über 400 Medikamente auf dieser Liste. Es ist nicht , jede kleine Gesundheitsstation mit diesen 400 Medikamenten auszustatten. Aber es wäre schon hilfreich, wenn diese wenigstens in den Krankenhäusern zur Verfügung ständen.

Die Driving Doctors sind in Regionen unterwegs, in denen kaum stationäre Gesundheitszentren existieren. Wie erfahren die DorfbewohnerInnen, dass ihr unterwegs seid?

Ganz regelmäßig versuchen wir einmal im Monat in die mittlerweile mehr als 50 Dörfer zu fahren. Das klappt nicht immer, weil wegen der Regenzeit die Straßen oftmals nicht passierbar sind. Wir haben die Dörfer mit Handys ausgestattet. Wenn die Fahrten anstehen, telefoniert die Projektkoordinatorin mit den Chiefs, den Dorfvorstehern, und informiert sie. Und dann sind die Frauen mit ihren Kindern auch da. Wir machen klassische Vorsorgeuntersuchungen bei Schwangeren, klären über die Wichtigkeit des Stillens auf und sprechen über Familienplanung, Hygiene oder Malaria.

Das heißt ganz konkret?

Ein Dorf sollte sauber gehalten und die Pfützen vor allem in der Regenzeit zugeschüttet werden, da hier sonst die Mücken brüten könnten, die Malaria übertragen. In manchen Dörfern haben wir Hütten oder Lehmhäuser mit einem guten Dach, in denen wir unsere PatientInnen behandeln und mit ihnen ins Gespräch kommen. In einer Gegend treffen wir uns aber auch unter einem großen Baum. Es wird viel gesungen und getanzt. Wenn das dann ein paar Mal gemacht wird, bleiben die Informationen über Krankheiten und Familienplanung besser hängen.

Wie organsiert ihr Eure Medikamente?

In vielen afrikanischen Ländern besteht die Möglichkeit, Medikamente auf Märkten zu kaufen. Da ist dann meist kein Beipackzettel dabei, noch weiß man die genauen Inhaltsstoffe. Wir kaufen nur in Großapotheken in Freetown ein. Im Verein haben wir einen Apotheker, der in der Apothekenkammer sitzt und regelmäßig Updates über gefälschte Medikamente bekommt.

Seid ihr manchmal in Kontakt zu traditioneller Medizin?

Mal abgesehen von Eurem Engagement: Was unternimmt die Regierung in Sierra Leone, um die gesundheitliche Situation der Bevölkerung zu verbessern?

Viel passiert mittlerweile über das Internet oder über das Radio. Es gibt auch Informationskampagnen in Schulen. Oder es werden Poster in der Stadt aufgehängt. Ja, da sind sie schon auf einem ganz guten Weg. Im Nachbarland Guinea war im Februar 2021 wieder Ebola ausgebrochen. Daraufhin hat Sierra Leone Risikogruppen festgelegt, die eine sogenannte Ringimpfung[1] erhalten sollen. Ebenso Menschen, die in Grenzregionen leben wie die Traditional Healers, aber auch Motorrad-Taxifahrer sollten geimpft werden. Diese vulnerablen Gruppen wurden im Mai das erste Mal geimpft und jetzt im August haben diese Menschen die zweite Impfdosis bekommen.

Und bei Covid-19?

Zusammen mit der WHO und der Seuchenbekämpfungsbehörde sind nach dem Ebola-Ausbruch Notfallpläne aufgestellt worden. Diese sind bei Covid-19 wieder rausgeholt worden. Es gibt immer noch Isolierstationen, die sofort wieder aktiviert werden können. Also da haben sie wirklich aus Ebola gelernt. Vielleicht kann man sogar sagen, mehr als wir in Deutschland gerade. Es wurde dieses Mal direkt gesagt, dass alle Kontakte verfolgt werden und die positiv Getesteten in Quarantäne gehen. Der Flughafen wurde auch für drei Monate geschlossen.

Im Sommer 2021 lag die Impfquote in Sierra Leone bei 1%. In Deutschland hingegen schon bei 50%.

Das geht eigentlich nicht, wenn man eine weltweite Pandemie bekämpfen will. Dies liegt jedoch nicht in der Hand der einzelnen Länder, sondern mehr in der Hand der europäischen und amerikanischen Länder, wie sehr die Länder im Globalen Süden mit den Impfstoffen versorgt werden. Hier sind wir bei der „Großbaustelle Arzneimittelversorgung“. Es ist die Covax-Initiative gegründet worden, bei der sich die Industrienationen verpflichtet haben, Impfstoffe abzugeben, aber das klappt hinten und vorne nicht.

Hast Du abschließend noch etwas auf dem Herzen?

Wir reden immer über so viel Negatives in den Ländern, aber es sind auch unglaublich schöne Länder mit ganz vielen positiven Eigenschaften und tollen Menschen. Das sollte man nicht vergessen.

Das hier gekürzte Interview führte Corinna Krämer
Artikel aus dem Pharma-Brief 1/2022, S.4
Bild © Driving Doctors

[1] Weitere Informationen: https://www.der-arzneimittelbrief.de/de/Artikel.aspx?SN=7774 und  https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Ebola/Ebola.html [Zugriff 21.1.2022] 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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