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Deutschland wirbt Pflegepersonal aus Indien an

Der Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal in Deutschland forciert das Anwerben ausländischer Fachkräfte. Die Bundesrepublik hält sich nach eigenen Angaben zwar an die globalen Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation zur internationalen Gewinnung von Gesundheitspersonal. Doch Abwerbeabkommen mit Drittstaaten bekämpfen weder die Ursachen des deutschen Pflegenotstandes, noch tragen sie zu einem weltweit nachhaltigen Pflegesektor bei. Das Gegenteil ist der Fall, wie das Beispiel aus Kerala ­(Indien) zeigt.

Der prognostizierte Bedarf an Pflegefachkräften in Deutschland ist enorm. Dem zukünftigen Zuwachs an pflegebedürftigen Menschen wird ein dramatischer Personalmangel gegenüberstehen. Fehlten im Jahr 2015 ungefähr 343.000 Pfleger­Innen, so wächst die Zahl bis 2035 voraussichtlich auf knapp 493.000 an.[1] Um diesem Trend entgegenzuwirken, setzt Deutschland seit Jahren auf das Anwerben von qualifizierten ausländischen Pflegekräften.[2] Doch dass das Anwerben aus Drittstaaten Grenzen hat, liegt auf der Hand. Das Bundesministerium für Gesundheit erwartet, dass das Potenzial in den Westbalkanstaaten bald ausgeschöpft ist. Bei Fortsetzung der Abwerbung drohe auch diesen Herkunftsländern ein Pflegefachkräftemangel.[3] Statt für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Bezahlung in Deutschland zu sorgen, um den Beruf attraktiver zu machen, werden neue Anwerbeprogramme im Ausland initiiert. Doch dieses Vorgehen ändert nichts an den eigentlichen Ursachen des Fachkräftemangels und Deutschland schiebt damit die eigenen Probleme auf andere Länder ab.

Das Triple-Win-Programm

Im Dezember 2021 schlossen die Bundesagentur für Arbeit und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ein Abkommen mit dem indischen Bundesstaat Kerala.[4] Erste Rekrutierungen sind für das Jahr 2022 geplant. Ab 2023 sollen die Einreisen beginnen und keralische Pflegefachkräfte in Deutschland arbeiten können.[5] Das sogenannte Triple-Win-Programm soll Vorteile für alle beteiligten Parteien bringen: ausgebildetes Personal für Deutschland, eine professionelle und persönliche Zukunft für die ausgewandernten Pflegekräfte und eine entspanntere Lage des Arbeitsmarktes im Herkunftsland.[4] Soweit die Theorie. Jedoch werden von deutscher Seite die Folgen der Personalanwerbung auf den Pflege- und Gesundheitssektor der Herkunftsländer nicht weiter untersucht.[6] Dabei zeigt das Beispiel Keralas, warum dies dringend nötig wäre.

Viele VerliererInnen

Im indischen Bundesstaat Kerala hat Arbeitsmigration eine lange Tradition: Insbesondere die Ausbildung von Pflegepersonal für Amerika und Europa ist seit Jahrzehnten ein Wirtschaftszweig Keralas.[4] Jedoch hat der durch Abwanderung generierte Geldfluss aus dem Ausland auch negative Folgen für die Region. Beispielsweise stiegen dadurch die lokalen Bodenpreise an. Wer keine im Ausland lebenden Verwandten hat, schaut in die Röhre.

Der durch das Überangebot von Pflegekräften entstandene Wettbewerb um Jobs hat zudem verheerende Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen. Oftmals wird der gesetzliche Mindestlohn unterschritten. Unter erhöhtem Druck leiden insbesondere schwangere Pflegerinnen, welche entlassen oder gar zur Abtreibung gedrängt werden. Um ihre hohen Ausbildungskosten zu refinanzieren, sind viele der neu ausgebildeten PflegerInnen gezwungen, ihre Heimat Kerala zu verlassen. Sie müssen in anderen Bundesstaaten oder im Ausland ihr Glück suchen und landen in prekären Arbeitsverhältnissen in Europa, verschulden sich bei Vermittlungsagenturen oder arbeiten unter schlechten Menschenrechtsbedingungen in den Golfstaaten.[4]

Ursachenbekämpfung gefragt

Die Strategie der grenzüberschreitenden Anwerbung verbessert weder die Situation der Pflege in Deutschland noch in den Herkunftsländern. Ganz im Gegenteil: Sie schafft Anreize, der Abwerbung einheimischen Pflegepersonals zuzustimmen, obwohl das eigene Gesundheitssystem darunter leidet.[7] Deutschland müsse vielmehr dazu beitragen, Gesundheitssysteme und -personal in armen Ländern zu stärken. Deutschland braucht zwar auch Einwanderung, um gegen den steigenden Personalmangel an Pflegekräften gewappnet zu sein. Zugleich ist aber mehr Respekt, Wertschätzung und eine höhere, geschlechterunabhängige Bezahlung bei besseren Arbeitsbedingungen für die PflegerInnen in allen Bundesländern und für alle Träger nötig. Dass dies ein echter Gewinn sein könnte, zeigt eine Studie aus Bremen, wonach 60% der ehemaligen PflegerInnen sich unter besseren Bedingungen eine Berufsrückkehr vorstellen könnten.[7] (CL)

Artikel aus dem Pharma-Brief 10/2022, S. 5
Bild: Bananenverkäufer in Trivandrum © Adam Jones  

[1] IW Köln (2018) Prognostizierter Bedarf an stationären und ambulanten Pflegekräften in Deutschland bis zum Jahr 2035.

[2] Pharma-Brief (2022) Deutschland forciert Brain-Drain. Nr. 3, S.2

[3] Bundesministerium für Gesundheit (2021) Richtlinie zur Förderung von Vorhaben zur ethisch hochwertigen Gewinnung von Pflegefachkräften in weit entfernte Drittstaaten im Rahme des Programms „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“. Bonn 23. Juni.

[4] Kulamadayil L (2022) Helfende Hände. ipg-journal 12. Jan. [Zugriff 2.11.2022]

[5] Ärzteblatt (2021) Deutschland wirbt Pflegekräfte aus Indiens Süden an. 2. Dez. [Zugriff 3.11.2022]

[6] Deutscher Bundestag (2022) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Cornelia Möhring u.a. DIE LINKE. Drucksache 20/2237 [Zugriff 2.11.2022]

[7] Möhring C (2022) Kleine Anfrage: Grenzüberschreitende Abwerbung von Pflegekräften. [Zugriff 2.11.2022]


Folgen der Pandemie in Nord und Süd

Um den Gesundheitszustand von Kindern ist es nach drei Jahren Pandemie nicht gut bestellt. In Kliniken fehlt es an personellen und finanziellen Ressourcen, um eine bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten. Was ist hier und auch weltweit schiefgelaufen? Darüber sprachen wir mit dem Kinder- und Jugendmediziner Carsten Krüger.

Dr. Krüger, wie stark waren Kinder von Covid-Erkrankungen betroffen?

Das, was man befürchtet hat, ist nicht eingetreten in der Kinder- und Jugendmedizin. Wir haben natürlich kranke Kinder gesehen und sehen sie heute ab und zu noch. Auch bei uns in der Klinik haben wir schwere Komplikationen gesehen. Es gibt auch vereinzelte Todesfälle bei Kindern, aber die absoluten Zahlen liegen im niedrigen dreistelligen Bereich in Deutschland, also weit entfernt von irgendetwas, was in der Erwachsenenmedizin zu sehen ist. Somatische Effekte sieht man hauptsächlich bei Kindern mit schweren Erkrankungen anderer Art, also zum Beispiel bei denjenigen mit Krebserkrankungen, angeborenen Herzfehlern oder neurologischen Erkrankungen. Die Probleme für Kinder entstanden vielmehr aus den Folgen der Isolation und der Vorsichtsmaßnahmen.

Was haben sie beobachtet?

Eindeutig zu sehen sind die psychosozialen Folgen. Die Kinder- und Jugendpsychiater und Psychotherapeuten klagen jetzt schon darüber, dass sie quasi überrannt werden von den Patienten und ihren Familien und dessen nicht Herr werden. Und das wird sich viel stärker als im körperlichen Bereich über die nächsten Jahre und Jahrzehnte auswirken. Also die Folgen für die Kinder und Jugendlichen, die wir immer mit indirekten Folgen beschreiben, die sind wirklich sehr bedrückend.

Sprechen Sie über die Kindergesundheit auch im internationalen Kontext?

Wenn Sie in Länder des Südens gehen, nach Afrika, Asien oder Südamerika, ist der rein medizinische Bereich quasi zu vernachlässigen. Da spielt für die Kinder- und Jugendmedizin die Infektion und Pandemie biologisch oder medizinisch gesehen keine Rolle. Es gibt dort so viele andere Erkrankungen, die viel drängender sind. Das fängt bereits bei einer Nicht-Erkrankung an, nämlich bei dem Problem der Unterernährung und Fehlernährung. Das sind Probleme, die die Menschen viel mehr umtreiben.

Wo wurden Probleme verursacht?

Die Katastrophe im Medizinbereich bestand darin, dass massenhaft Ressourcen aus der Kinder- und Jugend-Versorgung abgezogen worden sind und die gesamte Nachschub-Organisation nicht mehr funktioniert hat, weil die internationalen Lieferketten zusammengebrochen sind. Impfprogramme, die Neugeborenen-Versorgung oder die Versorgung von Schwangeren bei der Geburt sind dadurch massiv beeinträchtigt gewesen. Und im Gegensatz zu den Industriestaaten, die Sicherungssysteme einbauen konnten, saßen viele Menschen in anderen Ländern buchstäblich auf der Straße und wussten nicht, wie sie den nächsten Tag das Essen besorgen sollten.

Welche Entwicklungen sehen Sie kritisch?

Der Grad an Hunger und Unterernährung, wovon hauptsächlich Kinder, Jugendliche und Frauen betroffen sind, hat massiv zugenommen und ist kausal mit den Folgen der Pandemie in Verbindung zu bringen. Zum Beispiel hat die mangelnde Schulbildung bei über 400 Millionen Kindern bewirkt, dass sie diese eine warme Mahlzeit am Tag nicht mehr bekommen. Die Covid-Folgen für die Kinder und die Gesundheit sind direkt vernachlässigbar, aber indirekt sind sie katastrophal.

Inwieweit waren schwangere Frauen von den Einschränkungen betroffen?

Jeden Tag werden Kinder geboren und trotz dessen, dass man bei den Geburten keine Pause machen kann, ist es in Ländern des Südens aufgrund fehlender eigener Schutzmöglichkeiten passiert, dass in diesem Bereich nicht gearbeitet wurde. Ich kann aus erster Hand berichten, dass zum Beispiel in Malawi Frauen und deren zu gebärende Kinder bzw. Neugeborenen zu Schaden und auch letztlich zu Tode gekommen sind, weil die Versorgung zusammengebrochen ist.

Was müsste getan werden, damit die Gesundheit von Kindern auch in Krisenzeiten nicht zu kurz kommt?

Im europäischen Kontext muss sich auf gesundheitspolitischer und gesellschaftlicher Ebene ganz klar die Wahrnehmung dahingehend ändern, dass Kinder und Jugendliche immer an vorderster Stelle mit bedacht werden müssen, weil sie eben diejenigen sind, die neben alten Menschen die stärkste Vulnerabilität aufweisen. Heißt, man muss gezielt intervenieren und beispielsweise genug finanzielle Mittel, Personal und Ausstattung für Gesundheit, Bildung und gesunde Ernährung zur Verfügung stellen. Das bedeutet, wir müssen die sozialen Determinanten von Gesundheit viel mehr in den Blick nehmen und gerade auch die Randgruppen unserer Gesellschaft einbeziehen. Es wird nämlich häufig übersehen, dass wir unsere Programme sehr stark an der zentralen Großgruppe unserer Gesellschaft ausrichten, aber die Randgruppen, die sowieso schon Schwierigkeiten haben mitzukommen, vergessen.

Und was müsste international passieren?

Im globalen Kontext ist die Sache noch viel, viel problematischer. Für mich wäre schon viel erreicht, wenn wir eine soziale Grundsicherung hätten, die auch eine Krankenversicherung einschließt. Also dass Behandlungen von Kindern und Jugendlichen nicht dazu führen, dass deren Familien in bitterste Armut abrutschen. Wenn wir viel mehr in Gesundheitsbereiche investieren, sprich Personal verstärkt ausbilden, aber auch die Gesundheitssysteme strukturell verbessern, also dass wirklich funktionierende Gesundheitseinrichtungen vorhanden sind, dass die Ausrüstung vorhanden ist, dass auch die Überweisungen funktionieren und dergleichen mehr. Ich denke, nur so kommen wir da weiter, denn wir werden immer wieder mit Epidemien und Pandemien befasst sein.

In punkto Risikokommunikation, was wären da Ihre Wünsche?

In Deutschland haben wir uns ziemlich weit von sachlicher Diskussion entfernt und das ist leider auch in der Gesundheitskommunikation von Seiten der offiziellen Stellen teilweise nachzuvollziehen und zu sehen. Das trägt nicht dazu bei, den Leuten mehr Vertrauen zu geben. Ich kann nicht ständig vor irgendwelchen Katastrophen warnen, wenn die zweimal nicht eingetreten sind. Beim dritten Mal sagen die Leute „das interessiert mich nicht mehr.“ Man muss ganz anders kommunizieren und die Leute mitnehmen. Und man muss auch positive Botschaften aussenden, nicht nur immer die negativen Botschaften. Ich glaube, das ist gerade in Deutschland nicht gut gelungen. Wir neigen in den letzten Jahren dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten, entweder zu verharmlosen oder zur Katastrophe aufzubauschen.

Ich würde mir wünschen, dass auf nationaler und internationaler Ebene ehrlich kommuniziert würde und dass auch ehrlich geantwortet würde. Zum Beispiel „wir akzeptieren zum Zeitpunkt X, dass bestimmte Dinge nicht bekannt sind oder nicht voraussagbar sind“ und dann unterhalten wir uns in vier Wochen nochmal, ob wir neue Erkenntnisse haben. Das ist diese Sachlichkeit, die leider verloren gegangen ist.

Wie gehen Sie in Ihrem beruflichen Alltag mit diesem Problem um?

Man muss versuchen, die Menschen bei dieser Arbeit im medizinischen Bereich mitzunehmen und ihnen zu zeigen, dass es zwar ein neuartiger Erreger ist, aber dass man damit auch umgehen kann. Sprich, man lernt, sich so zu verhalten, dass man sich keinem ungebührlich hohen Risiko aussetzt. Und dazu gehört ehrlich gesagt auch die Eigenverantwortung des Einzelnen, sich impfen zu lassen.

Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die Kommunikation mit den Eltern und Schwangeren. Diese ist in den letzten drei Jahren schwieriger und auch aggressiver geworden. Wir haben leider feststellen müssen, dass das Verständnis für den Gegenüber nicht mehr so vorhanden ist. Bei vielen Maßgaben, die uns vom Gesetzgeber vorgegeben sind, erleben wir zunehmend, dass darauf mit weniger Verständnis reagiert wird. Zum Beispiel, was das Testen betrifft. Die Kommunikation ist insgesamt schwieriger und auch langwieriger geworden.

Was ist Ihnen noch wichtig, wenn es um die globale Sicht auf die Pandemie geht?

Mir wäre wichtig, dass begriffen wird, dass diese Erkrankung eine zusätzliche Erkrankung ist, die jetzt in der Menschheit existiert und die wir auch nicht wieder loswerden werden, auch durch Impfungen nicht. Jedenfalls nicht mit den Impfstoffen, die wir haben. Aber wir haben einige Möglichkeiten, damit sinnvoll und gut umzugehen. Wir müssen wieder zu einer gewissen Normalität zurückfinden, weil nämlich unser Handeln massive Auswirkungen auch auf das Leben vieler, vieler Milliarden Menschen auf der Welt hat. Weniger im Gesundheitsbereich, sondern einfach durch die Auswirkungen auf die globalen Verflechtungen.

 

Dieses in Auszügen abgedruckte Gespräch führte Diana Wiesner. In Kürze können Sie es als Podcast hören:

https://bukopharma.de/mutter-kind-gesundheit-feb

Artikel aus dem Pharma-Brief 10/2022, S.3


Fortschrittliche Politik oder nur schöne Worte?

Am 30. November stellte die EU-Kommission eine neue globale Gesundheitsstrategie vor.[1] Sie reicht weit über bisherige Pläne zur besseren Bekämpfung von Pandemien hinaus. Aber Licht und Schatten liegen dicht nebeneinander. Ein erster Einblick.

In den Mittelpunkt der Überlegungen werden die nachhaltigen Entwicklungsziele gestellt, die nach gegenwärtigem Stand bis 2030 nicht erreicht werden. Im Gegenteil, so die Kommission, durch die Pandemie hat es in vielen Ländern Rückschritte gegeben.[2]

Neben „traditionellen Ursachen“ für schlechte Gesundheit wie Armut und soziale Ungleichheit, werden Klimawandel, Umweltzerstörung, humanitäre Krisen, Nahrungsknappheit und Krieg als zu adressierende Probleme benannt.

Die Priorität für politische Interventionen und Unterstützung der EU soll in drei miteinander verbundenen Bereichen liegen:

  • Bessere Gesundheit und Wohlbefinden,
  • Stärkung von Gesundheitssystemen und globale Absicherung im Krankheitsfall (Global Health Coverage),
  • Gesundheitlichen Bedrohungen vorbeugen und sie bekämpfen.

Auch der „One Health Ansatz“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) findet Erwähnung, der auf die engen Zusammenhänge zwischen der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt verweist und die Inklusion aller in der Gesellschaft Betroffenen einfordert.[3]

 „Eine neue globale Gesundheitsordnung entsteht – und die EU muss dazu beitragen, sie durch ein strategischeres und wirksameres Engagement zu gestalten.“, heißt es in dem EU-Papier. Sie will also die Gesundheitsdiplomatie verstärken. Die zentrale Rolle einer nachhaltig finanzierten WHO wird hervorgehoben. Ein Hebel sei auch die die EU als wichtiger Geldgeber.

Dass die EU mehr Verantwortung für die globale Gesundheit übernehmen will, ist zu begrüßen. Aber stimmen die Worte auch mit den Taten überein? Und sind die Pläne zukunftsfähig?

Vergangene Leistungen

Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat das Vorhaben eines neuen Strategieplans befeuert. Als Referenz für den guten Willen dienen die bisherigen Erfolge von „Team Europe“, also die koordinierte Zusammenarbeit der Kommission mit den Mitgliedsstaaten während der Pandemie. Hervorgehoben wird die am 21.5.2021 von den G20-Staaten beschlossene „Erklärung von Rom“ zur Pandemie, bei der die EU eine tragende Rolle gespielt habe.[4] In dieser Erklärung heißt es: „Wir betonen unsere Unterstützung für die weltweite gemeinsame Nutzung sicherer, wirksamer, hochwertiger und erschwinglicher Impfstoffdosen, einschließlich der Zusammenarbeit mit der Impfstoff-Säule des ACT-A (Covax), wenn die Situation im Innern dies zulässt.“ Die Einschränkung im letzten Halbsatz spiegelt die traurige Realität wider: Die reichen Länder kauften die meisten Impfdosen auf und für Afrika nur blieben mir die Krumen. Zwar hat die EU dann mit Milliardensummen Covax unterstützt, aber bis zuletzt haben ärmere Länder trotzdem zu spät und zu wenig Impfstoff erhalten. Gefüllt haben die EU-Milliarden die Taschen der Hersteller, die mit den Impfstoffen exorbitante Gewinne erzielten.

In der Rom-Erklärung findet sich auch die folgende Aussage: „In Anerkennung der Rolle einer umfassenden COVID-19-Immunisierung als globales öffentliches Gut bekräftigen wir unsere Unterstützung für alle diesbezüglichen gemeinsamen Maßnahmen, vor allem für den COVID-19 Tools Accelerator (ACT-A).“ Genau da liegt aber das Problem. Die EU hat entgegen diesen Aussagen den WHO-Patentpool für Impfstoffe und Medikamente sabotiert, und statt auf Solidarität auf enge Zusammenarbeit mit der Industrie und auf Wohltätigkeit gesetzt.[5] Auch der Patent-Waiver bei der Welthandelsorganisation wurde abgelehnt.[6] Eine gewichtige Stimme im „Team Europe“ der EU hatte und hat Deutschland. Wie die alte und die neue Bundesregierung von der Industrie in Sachen Patentschutz für Impfstoffe auf Linie gebracht wurde, zeigt eine Recherche von Abgeordnetenwatch.[7]

Die Industrie im Ohr

Auch das neue EU-Papier hebt die öffentlich-private Kooperation hervor: „Die EU sollte den wesentlichen Prozess vorantreiben, um die bestehenden Lücken in der globalen Governance zu schließen, Doppelarbeit zu vermeiden und die Kohärenz der Maßnahmen sicherzustellen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit dem Privatsektor, philanthropischen Organisationen, der Zivilgesellschaft und anderen Interessenträgern, um die Ziele dieser Strategie zu unterstützen.“ Ein Kuschelkurs mit der Industrie und Stiftungen, die Zivilgesellschaft als Feigenblatt? Genau das, was Probleme in der Vergangenheit ausgelöst hat, soll also fortgesetzt werden: Industrie und Stiftungen wird privilegiert Gehör geschenkt. Die Zivilgesellschaft muss aufpassen, nicht als Feigenblatt für dieses im Kern undemokratische Vorgehen zu dienen.

Richtige Ziele

Elf Prinzipen sollen die neue EU Politik leiten. Darin steht viel Richtiges und Wichtiges. Neben Armutsbekämpfung und sozialer Gerechtigkeit werden die negativen Folgen von Diskriminierung angesprochen und eine menschenrechtsbasierte Politik eingefordert.

Gesundheitsversorgung für alle ist ein Leitmotiv. Neben dem Kampf gegen übertragbare Erkrankungen werden auch die Verhinderung und bessere Behandlung von nichtübertragbaren Krankheiten in den Blick gerückt. Die Stärkung des Zugangs zu einer allgemeinen ausreichenden Versorgung ist zweifellos wichtig.

Bedenklich bleibt aber das unreflektierte Setzen auf „globale Gesundheitsinitiativen“, sprich öffentlich-private Kooperationen wie die Impfstoffinitiative Gavi und den Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria. Sie können bestenfalls Übergangslösungen sein. Denn in Wirklichkeit kommt es auf eine umfassende integrierte Versorgung an und nicht auf selektive Interventionen. Das ist ein bisschen wie nur auf die Feuerwehr zu setzen und sich nicht um den Brandschutz zu kümmern.

Aus dem EU-Papier schimmert immer wieder eine Schwerpunktsetzung auf die Pandemiebekämpfung durch. Es bleibt fraglich, ob die Balance zwischen der bitter notwendigen Verbesserung der sozialen Determinanten für Gesundheit und einer adäquaten Versorgung und der Katastrophenmedizin gelingt.

Zwar wird die Abuja-Erklärung der afrikanischen Staaten erwähnt, mit der sie sich 2001, mindestens 15% des Staatsbudgets für Gesundheit einzusetzen (ein Ziel das vielerorts verfehlt wird). Doch die EU verliert kein Wort darüber, dass zur Finanzierung der Versorgung zusätzlich ein Geldtransfer von reichen zu armen Ländern erforderlich ist.

Bessere Forschung

Im Abschnitt „die globale Gesundheitsforschung stärken“ finden sich ebenfalls bemerkenswerte Aussagen: „Die internationale Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Innovation auszubauen, Forschungsdaten so offen, standardisiert und interoperabel wie möglich zu gestalten und die Verbreitung und Nutzung der Ergebnisse als Gemeingut zu fördern.“ Das wäre wirklich ein Kulturwandel. Konkret wird die Forschungspartnerschaft zwischen Afrika und der EU genannt.

Auch über die Umsetzung von gesundheitsrelevanter Forschung hat man sich Gedanken gemacht: „Die durchgängige Unterstützung der Forschung mit der Schaffung eines förderlichen Forschungsumfelds, das die gesamte Wertschöpfungskette von grundlegender bis hin zu präklinischer und klinischer Forschung stärkt, um die Lücke zwischen der Generierung und Umsetzung von Wissen und Evidenz zu schließen“, gilt als Priorität. Im Klartext würde das auch eine öffentliche Förderung von Zulassungsstudien für Medikamente bedeuten – die dann auch direkte Auswirkungen auf den Preis und den Zugang hat.

Bei der Forschungsförderung muss man sich allerdings vor untauglichen Mitteln hüten wie dem jüngst von der EU vorgeschlagenen übertragbaren Voucher für Antibiotikaforschung (siehe S. 8).

Ein lobenswertes Ziel ist außerdem die Förderung lokaler Produktion in ärmeren Ländern zur Reduzierung der Abhängigkeit.

Die Chancen der Digitalisierung werden im Strategiepapier übermäßig hervorgehoben. So klopft sich die EU für das von ihr entwickelte digitale Impfzertifikat selbst auf die Schulter; 49 Länder außerhalb der EU, darunter sieben afrikanische, nutzen es bereits. Keine schlechte Sache – aber sicher nicht der entscheidende Durchbruch in der Pandemie. Auch die angepriesene Telemedizin wird die Probleme der Unterversorgung in vielen Ländern nicht lösen.

Health in all Policies?

So wichtig es ist, die gesundheitlichen Auswirkungen von Entscheidungen in allen Politikbereichen zu berücksichtigen, es bleiben Zweifel, ob das angesichts der aktuellen Politik der EU und ihrer Mitgliedsstaaten auch gelingt.

Solange der Schutz der einheimischen Pharmaindustrie wichtiger bleibt als der Zugang zu Medikamenten, Landgrabbing die Ernährungslage verschlechtert, giftiger Müll und Pestizide exportiert werden, der von den wohlhabenden Ländern hauptsächlich verursachte Klimawandel nicht entschieden bekämpft wird, Gesundheit als Geschäftsmodell und nicht als Menschenrecht betrachtet wird, müssen die hehren Ziele der EU scheitern.  (JS)

Artikel aus dem Pharma-Brief 10/2022, S. 1        

 

[1] European Commission (2022) EU Global Health Strategy Better Health for All in a Changing World. COM(2022) 675 final, 30 Nov. https://health.ec.europa.eu/publications/eu-global-health-strategy-better-health-all-changingworld_en [Zugriff 1.12.2022]

[2] Siehe in diesem Zusammenhang auch unsere Berichte und Interviews zu dem Auswirkungen von Covid-19 auf die Gesundheitsversorgung im Globalen Süden im Pharma-Brief.

[3] WHO (2021) Tripartite and UNEP support OHHLEP‘s definition of “One Health” www.who.int/news/item/01-12-2021-tripartite-and-unep-support-ohhlep-s-definition-of-one-health [Zugriff 5.12.2022]

[4] https://global-health-summit.europa.eu/rome-declaration_en [Zugriff 5.12.2022]

[5] Pharma-Brief (2021) Covid-19: Globales Versagen. Nr. 10, S. 1

[6] Pharma-Brief (2022) WTO Patent-Waiver: Außer Spesen nichts gewesen. Nr. 5-6, S. 1

[7] Röttger T. (2022) Impfpatente: Wie die Pharmalobby die Bundesregierung auf Linie brachte. Abgeordnetenwatch 2. Sept. www.abgeordnetenwatch.de/recherchen/lobbyismus/impfpatente-wie-die-pharmalobby-die-bundesregierung-auf-linie-brachte [Zugriff 6.12.2022]


Niederlande diskutieren neue Strategien

Überteuerte Medikamente sind nicht nur ein Problem für Menschen in Armut. Selbst die reichsten Länder der Welt stoßen an die Grenzen dessen, was ihre Gesundheitssysteme finanzieren können. In den Niederlanden sucht das Parlament neue Wege, die Kostensteigerung für Arzneimittel zu stoppen.

Der niederländische Rat für öffentliche Gesundheit und Gesellschaft stellt fest:[1] „Neue Medikamente werden immer teuer. Summen von 100.000 Euro oder mehr pro Jahr, um einen einzigen Patienten zu behandeln, sind keine Ausnahme. Die Ausgaben für teure Medikamente steigen jährlich um 10 Prozent. Das kann so nicht weitergehen.“

Der Rat ist offizielles Beratungsgremium der Regierung, und guter Rat ist wichtig. In den Niederlanden hat die Regierung eine zentrale Funktion bei der Preisgestaltung. Das Gesundheitsministerium schreibt einen Katalog von Mindestleistungen vor, den alle privaten Krankenkassen erstatten müssen (gesetzliche Kassen wie in Deutschland gibt es nicht). In dieses so genannte Basispaket gehören verschreibungspflichtige Medikamente. Neu zugelassene Medikamente werden nicht sofort erstattet. Erst werden Nutzen und Kosteneffektivität geprüft. Wenn das Medikament als sinnvoll erachtet wird, startet das Gesundheitsministerium die Preisverhandlung mit dem Anbieter.

100.00 Euro für eine Spritze?

Aktuell kocht in den Niederlanden eine Debatte um den Preis des Medikaments Spinraza® (Nusinersen). Eine Spritze zur Behandlung der seltenen Muskelerkrankung SMA soll 100.000 Euro kosten, auf das niederländische Gesundheitssystem kämen so jährliche Kosten von 300 Mio. Euro zu.[2]

Der Rat findet deshalb klare Worte an Regierung und Hersteller: „Wenn ein Hersteller keinen sozial akzeptablen Preis in die Verhandlungen einbringt, müssen die Behörden alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, die ihnen zur Verfügung stehen, um den Patienten die Medikamente zur Verfügung zu stellen.“

Empfehlungen an die Regierung

Sechs Empfehlungen geben die ExpertInnen der Regierung:[1]

1. Alle verfügbaren legalen Druckmittel in den Preisverhandlungen nutzen, einschließlich Zwangslizenzen;

2. Wirkstoffe aus öffentlicher Forschung bis in die klinische Phase I bringen, denn das erhöht später die Verhandlungsmacht;

3. Eine nationale Technologie-Transfer-Agentur schaffen, um die Kompetenz zu bündeln und bessere Verträge mit der Industrie auszuhandeln;

4. Elektronische Krankenakten für die Forschung nutzen;

5. Das bisherige Monopol-basierte Forschungsmodell hinterfragen – mehr internationale Kooperation und gemeinsame Finanzierung;

6. Forschung effektiver machen, damit nur die erfolgversprechenden Kandidaten in die klinische Prüfung kommen.

Selbst die Niederlande, die kaum über eigene Pharmaindustrie verfügen, könnten so zum Pionier werden: „Wir können zeigen, dass die Dinge besser, schneller und weniger teuer erledigt werden können, selbst im derzeitigen internationalen Rahmen. Die Niederlande können den Weg zeigen.“

Gesundheitsminister Bruno Bruins kommentierte, die Niederlande hätten mit den Preisverhandlungen bisher eine erfolgreiche Strategie verfolgt.[3] In den letzten fünf Jahren sei der Preis für 25 Medikamente verhandelt worden, um sie in das Basis-Versicherungspaket aufzunehmen. Aber die Macht eines kleinen Landes sei zu klein, um den Schwächen der globalen Arzneimittelforschung beizukommen. Die Verhandlungsunion der Beneluxa-Staaten (Benelux plus Österreich) sei ein erster Schritt, die Verhandlungsmacht zu stärken.

Die Forderung nach einem öffentlichen „return on investment“ unterstützt Bruins ebenso wie die Empfehlung, die öffentliche Forschung weiter voranzubringen. Als Beispiel, wie man auch in frühen klinischen Phasen fördern wolle, nannte er das Oncode Institute.[4] Es soll mit öffentlicher Finanzierung die Entwicklung der Krebstherapie voranbringen.

Taten sollen folgen

Drei Parteien (GroenLinks, SP und PvdA) haben nun gemeinsam eine Ini­tiative mit 20 konkreten Maßnahmen vorgelegt, um so die Empfehlungen des Rats in die Tat umzusetzen.[5] Da die Pharmaindustrie bei den Verhandlungen zu viel Macht habe, solle die Regierung ihre rechtlichen Möglichkeiten ausreizen und auch Zwangslizenzen verhängen. Insgesamt sollten die Preisverhandlungen transparent werden. Zudem sei die Patentverlängerung abzuschaffen. Ein nationaler Forschungsfond solle gegründet werden, bei dem die Regierung die Prio­ritäten festlegt. Der Vorschlag geht demnächst in die parlamentarische Debatte. (CW)

Artikel aus dem Pharma-Brief 10/2017, S. 4

 

[1] Raad voor Volksgezondheid en Samenleving RVS (2017) Development of new medicines: Better, faster, cheaper. www.raadrvs.nl/uploads/docs/Recommendation_Development_of_New_Medicines.pdf

[2] de Visser E (2017) Moet het medicijn echt honderdduizend euro per spuit kosten? Volkskrant 11 Nov. http://www.volkskrant.nl/wetenschap/-moet-het-medicijn-echt-honderdduizend-euro-per-spuit-kosten~a4535858

[3] Bruins B (2017) Brief zu RVS-advies over ontwikkeling nieuwe geneesmiddelen. 16. Nov. www.rijksoverheid.nl/documenten/kamerstukken/2017/11/16/kamerbrief-over-rvs-advies-over-ontwikkeling-nieuwe-geneesmiddelen

[4] www.oncode.nl/

[5] GroenLinks (2017) GroenLinks, PvdA en SP: doorbreek macht farmaceuten. (Meldung vom 21.Nov. 2017) https://groenlinks.nl/nieuws/groenlinks-pvda-en-sp-doorbreek-macht-farmaceuten


USA: Altpräparate als Goldgrube

In den USA gibt es noch immer Arzneimittel, die nie auf Sicherheit und Wirksamkeit geprüft wurden. Denn sie waren schon auf dem Markt, bevor entsprechende Zulassungsbestimmungen eingeführt wurden. Die ungeprüften Arzneimittel sollen nun durch ein besonderes Verfahren nachträglich zugelassen werden. Doch das Vorgehen führt zu krassen Preiserhöhungen.

Seit 1938 muss in den USA für Arzneimittel die Sicherheit nachgewiesen werden, seit 1962 auch die Wirksamkeit belegt werden. Nach Schätzungen der US-Zulassungsbehörde FDA gibt es noch mehrere Tausend Produkte, die vor diesen Zeitpunkten auf den Markt gebracht wurden und eigentlich ohne neue Zulassung gar nicht mehr verkauft werden dürften. Darunter sind neben zweifelhaften Mitteln auch etliche bewährte Substanzen, die aus der Therapie nicht wegzudenken sind.

Um die Ressourcen der Behörde zu schonen, sollten Hersteller mit einer 2011 von der FDA herausgegebenen Leitlinie motiviert werden, Zulassungsanträge für ihre Altprodukte zu stellen. Als Belohnung winkt ein Vermarktungsverbot für alle anderen Anbieter des Wirkstoffs. Diese können sich dann zwar auf die neue Zulassung berufen, aber erfahrungsgemäß dauert es 2-3 Jahre bis die FDA eine solche Generikazulassung erteilt. Die Kosten für die Zulassung halten sich in Grenzen, denn die FDA akzeptiert für diese Altpräparate eine Literaturrecherche zum Beweis von Wirksamkeit und Sicherheit.

Preise schießen in den Himmel

Ein krasses Beispiel ist Neostigmin, das bei Muskelschwäche verwendet wird. Der Wirkstoff wird seit über 80 Jahren eingesetzt. Eine Ampulle kostete in den USA bisher 3,35 US$, jetzt verlangt der Hersteller Endo International 80,50 US$ pro Ampulle.[1] Denn seit der Zulassung am 31. Mai 2013 besitzt er ein Monopol auf den Wirkstoff und ist alleiniger Anbieter. Bis September 2016 verdiente Endo 238 Mio. US$ mit dem Produkt.[2]

Par Pharmaceuticals, Produzent des Antidiuretikums Vasopressin, nutzt einen weiteren Trick, um sich die Konkurrenz vom Leibe zu halten. Es gibt nur drei Hersteller, die eine FDA-Lizenz zur Produktion des pharmazeutischen Wirkstoffs haben. Mit allen hat Par Exklusivverträge abgeschlossen. Der Preis für eine Ampulle stieg von 4,27 US$ auf 138,40 US$. Bevor Par 2013 die Zulassung erhielt, betrug der Jahresumsatz aller Vasopressin-Produkte 4 Millionen US$. 2016 erzielte Par als Monopolist fast 400 Mio. US$ Umsatz.

Die FDA soll dafür sorgen, dass Pharmazeutika erschwinglich bleiben, ihr fehlen aber die rechtlichen Instrumente, das auch durchzusetzen. Zwar hat die Behörde angekündigt, Generika

künftig schneller zuzulassen, bis es drei konkurrierende Produkte gibt. Notwendig wäre außerdem eine bessere Koordination mit der Wettbewerbskommission, um Exklusivverträge zu verhindern und auch gesetzliche Maß­nahmen scheinen unumgänglich.  (JS)

Altarzneimittel in Deutschland

In Deutschland gibt es eine Kontrolle von Wirksamkeit und Sicherheit erst seit 1978. Präparate, die vorher schon auf dem Markt waren, erhielten zunächst eine fiktive Zulassung, damit die Versorgung sichergestellt blieb. Allerdings hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Nachbewertung der zahlreichen sogenannten Altarzneimittel erst 2005 abgeschlossen. Wegen Klagen von Herstellern waren einige Präparate noch 2013 verfügbar. [3] Und Lücken bleiben: Ältere pflanzliche Medikamente dürfen ohne Wirksamkeitsbelege verkauft werden, wenn sie den Hinweis „traditionell angewendet bei …“ tragen. Homöopathische Arzneimittel unterliegen keiner Kontrolle der Wirksamkeit.

Artikel aus dem Pharma-Brief 10/2017, S. 3

 

[1] In Deutschland kostet die Ampulle 1,41 € (at-Datenbank, Preisstand 15.11.2017)

[2] Hakim A et al. (2017) High Costs of FDA Approval for Formerly Unapproved Marketed Drugs. JAMA. doi: 10.1001/jama.2017.16481

[3] arznei-telegramm (2013) e-at 5.4.2012 mit Nachträgen www.arznei-telegramm.de/html/2012_04/1204401_01.html

 


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