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Engagement gegen TB ausgezeichnet

Der Memento Forschungspreis für vernachlässigte Krankheiten, den die BUKO Pharma-Kampagne gemeinsam mit Brot für die Welt, Ärzte ohne Grenzen und der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe verleiht, ging in diesem Jahr an Prof. Dr. Martina Sester von der Universität des Saarlandes und Prof. Dr. Dr. Christoph Lange vom Forschungszentrum Borstel.[1]

Forschungspreis

Beide engagieren sich im Forschungsnetzwerk TBnet für die Bekämpfung von Tuberkulose (TB) und eine bessere Versorgung von TB-PatientInnen europaweit. „Mit dem von Prof. Martina Sester und Prof. Christoph Lange aufgebauten Forschungsnetzwerk TBnet ist ein Zusammenschluss von Experten und Institutionen entstanden, die sich der Bekämpfung der TB in beispielhafter Weise widmen. (…) Den Ärztinnen und Ärzten vor Ort eine Ausbildung zu ermöglichen, eine verbesserte Diagnostik anzubieten und die notwendigen Medikamente zur Verfügung zu stellen, ist die große Leistung des TBnet und ein wichtiger Schritt, die Krankheit in Zukunft zu beherrschen“, sagte Jurymitglied Prof. Dr. August Stich, Chefarzt der Tropenmedizinischen Abteilung der Missioklinik Würzburg.

Journalistenpreis

Den Memento Journalistenpreis erhielt der Wissenschaftsjournalist Dr. Jakob Simmank. Mithilfe des Recherchestipendiums möchte er einen Beitrag über die Mesoamerikanische Nephropathie realisieren, einer noch unerklärlichen Epidemie der chronischen Nierenerkrankung, die vor allem ärmere Menschen in Lateinamerika betrifft. (CJ)

Artikel aus dem Pharma-Brief 2/2018

[1] http://memento-preis.de/memento-forschungspreis/s


Diabetes im Fokus

425 Millionen Menschen leiden weltweit unter Diabetes - die meisten davon in Ländern geringen oder mittleren Einkommens. Doch gerade dort haben die PatientInnen wenig Hoffnung auf eine gute Versorgung: Insulin ist in den meisten armen Ländern schlecht verfügbar und die Erkrankung treibt Betroffene und deren Familien häufig in die Armut. Mit einem neuen E-learning-Kurs will die Pharma-Kampagne auf diese Probleme aufmerksam machen. Die Online-Materialien sollen Ende des Jahres erscheinen.

„Zigarettenhersteller dürfen Olym­pia nicht sponsern. Warum darf es Coca-Cola?“,[1] so titelte ein im Guar­dian erschienener Gastbeitrag zur Eröffnung der Winterspiele in Pyeongchang/Südkorea. Eine berech­tigte Frage, denn Werbung für Tabak ist im Rahmen der Spiele zwar seit 1988 verboten - nicht jedoch die für Fast Food-Produkte oder zuckerhaltige Getränke. Die sind aber nicht minder schädlich, fördern sie doch massiv Übergewicht und Folgeerkrankungen wie Diabetes. Trotzdem besteht die unsportliche Allianz von Coca-Cola mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) bereits seit 1928 und soll noch bis mindestens 2020 fortgesetzt werden.[2]

Das Beispiel zeigt einmal mehr die vorherrschende Ignoranz gegenüber Diabetes als wachsendem globalem Gesundheitsproblem. In keiner anderen WHO-Region leben mehr Diabetes-PatientInnen als in der bevölkerungsreichen Westpazifik-Region, zu der auch der diesjährige Gastgeber der Winterspiele zählt.[3] Auch Südkorea selbst verzeichnet steigende Prävalenzraten.[4]

Komplexe Ursachen

So fragmentiert die Datenlage besonders für ärmere Länder noch ist, zeigt sich ein deutlicher Trend: Laut Schätzungen des „Atlas“ der Inter­national Diabetes Foundation (IDF) sind mittlerweile 425 Millionen Menschen weltweit an Diabetes erkrankt, davon leben 79% in Ländern geringen oder mittleren Einkommens.[5] Generell haben Bevölkerungswachstum und steigende Lebenserwartung Einfluss auf die hohen Zahlen. Doch das erklärt nur zum Teil, warum sich die globale Prävalenz zwischen 1980 und 2014 laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) fast verdoppelt hat (von 4,7% auf 8,5%).[6]

Tabakkonsum und Übergewicht

Die Ursachen für diese Dynamik sind komplex, denn die Entstehung von Typ 2 Diabetes, der häufigsten Form der Erkrankung, hängt von vielen Faktoren ab: Neben genetischen Voraussetzungen hat u.a. Tabakkonsum großen Einfluss. Eine zentrale Rolle spielen zudem Übergewicht und Adipositas.[7] Ursächlich dafür ist wiederum der starke Wandel des Lebensstils aufgrund massiver wirtschaftlicher und sozialer Umbrüche in vielen Gesellschaften des globalen Südens. Geringere körperliche Aktivität und veränderte Ernährungsmuster sind oft eine Folge beschleunigter Urbanisierung. Sie treffen auf wenig vorbereitete und schlecht ausgestattete Versorgungssysteme, die bereits bei der Behandlung der vorherrschenden Infektionskrankheiten häufig an ihre Grenzen stoßen.[8]

Engpässe bei Diagnose und Behandlung

In armen Ländern hapert es gewaltig bei der Diagnose und Therapie von Diabetes. Insulin - ein unerlässliches Präparat für Millionen PatientInnen weltweit - ist nur in knapp einem Viertel der Länder mit niedrigem Einkommen generell verfügbar.[9] Fehlende Behandlung schädigt aber wiederum Herz, Blutgefäße, Nieren, Augen und Nerven und führt häufig zu Invalidität. Amputationen der unteren Extremitäten sind bei DiabetikerInnen z. B. 10-20 mal so häufig wie bei Gesunden. Aber Diabetes ist auch verantwortlich für jährlich 1,5 Millionen Todesfälle. Zusätzlich begünstigt ein hoher Blutzucker Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Der Markt für Insulin wird von lediglich drei Anbietern dominiert (Eli Lilly, Novo Nordisk & Sanofi). Auch diese Marktkonzentration begünstigt hohe Preise und sorgt für Engpässe. Eine Studie von Health Action International stellte 2017 fest, dass Insulin in vielen Ländern für PatientInnen schwer zu finanzieren ist. Zudem ist erstaunlicherweise der Preis von älteren Präparaten nicht spürbar gefallen wie es in der Regel der Fall ist.

Preis bleibt hoch

“Der globale Einkaufspreis (…) scheint über die Zeit hinweg unverändert geblieben zu sein - ganz anders als bei anderen NCD-Medikamenten oder HIV-Therapien.”[10] Aber auch an schlichten Blutzucker-Teststreifen oder Injektionszubehör mangelt es in vielen ressourcenschwachen Re­gionen. Zudem ist die Fallfindung miserabel: Die IDF schätzt, dass die Hälfte aller Erkrankten zwischen 20 und 79 Jahren nie eine entsprechende Diagnose erhalten hat.[5] Und auch die Prävention kommt zu kurz. Dabei ließen sich dafür oftmals bestehende Versorgungsstrukturen nutzen.[11]

Wirksame Konzepte gefragt

Um der zunehmenden Verbreitung von Diabetes und anderer nicht übertragbarer Krankheiten (NCDs) Rechnung zu tragen, berief die WHO im Februar eine unabhängige Kommission: Die Independent Global High-level Commission on NCDs soll Strategien und Maßnahmen entwickeln, die geeignet sind, um NCDs wirksam einzudämmen und die Sterberaten zu senken.[12] Gelingt das nicht, werden letztlich auch die nachhaltigen Entwicklungsziele scheitern, deren Umsetzung sich die Vereinten Nationen bis 2030 vorgenommen haben. Die­sen Realitäten muss auch die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe deutscher NROs verstärkt Rechnung tragen.

Neuer E-learning-Kurs

Ein neuer Online-Kurs der BUKO Pharma-Kampagne will MitarbeiterInnen der Entwicklungszusammenarbeit auf diese Herausforderungen vorbereiten. Die E-Learning-Module „Diabetes – die stille Epidemie“ werden derzeit entwickelt und sollen Ende des Jahres auf unserer Website kostenlos zur Verfügung stehen. Ziel ist es, MitarbeiterInnen in Gesundheitsprojekten für die Probleme zu sensibilisieren und damit die Versorgung der PatientInnen, aber auch die Prävention zu verbessern.

Neben medizinischen und epidemiologischen Informationen sowie praktischen Handlungsempfehlungen wird der Kurs eine klinisch-pharmakologische Bewertung häufig eingesetzter Antidiabetika beinhalten.  (MK)

Artikel aus dem Pharma-Brief 2/2018, S. 3
Bild © Brian Finney

[1] The Guardian (2018) Cigarette companies don´t sponsor the Olympics. Why does Coca-Cola?. www.theguardian.com/commentisfree/2018/feb/10/coca-cola-mcdonalds-sponsor-olympics [Zugriff 13. 2. 2018]

[2] Coca-Cola Journey (2016) Die gemeinsame Geschichte von Coca-Cola und den Olympischen Spielen seit 1928. 19.8.2016 https://de.coca-cola.ch/stories/die-gemeinsame-geschichte-von-coca-cola-und-den-olympischen-spielen-seit-1928 [Zugriff 21. 2. 2018]

[3] Nanditha A et al. (2016) Diabetes in Asia and the Pacific: Implications for the Global Epidemic. In: Diabetes Care; Vol. 39, p 472-485

[4] Noh J et al. (2017) Trends in the pervasiveness of type 2 diabetes, impaired fasting glucose and co-morbidities during an 8-year-follow-up of nationwide Korean population, In: Scientific Reports; 7, p 1-7, S. 5

[5] IDF (2017) IDF Diabetes Atlas 2017. www.idf.org/e-library/epidemiology-research/diabetes-atlas/134-idf-diabetes-atlas-8th-edition.html. S. 43 [Zugriff 13. 2. 2018]

[6] WHO (2017) Diabetes Fact sheet. www.who.int/mediacentre/factsheets/fs312/en [Zugriff 13. 2. 2018]

[7] Hu, Frank B (2011) Globalization of Diabetes. The role of diet, lifestlye, and genes. Diabetes Care; Vol. 34, p 1249-1257.

[8] NYT (2018) In Kenya and Across Africa, an Unexpected Epidemic: Obesity. www.nytimes.com/2018/01/.../kenya-obesity-diabetes.html [Zugriff 11. 2. 2018]

[9] Chan M (2016) Opening remarks on World Health Day and the launch of the WHO Global report on diabetes. Geneva, Switzerland, 7 April 2016

[10] HAI (2017) Access to insulin: Current challenges and constraints, Amsterdam, S. 23

[11] WHO (2016) The mysteries of type 2 diabetes in developing countries. In: Bulletin of the World Health Organization, S. 242. www.who.int/bulletin/volumes/94/4/16-030416.pdf [Zugriff 5. 2. 2018]

[12] WHO (2018) WHO Independent High-level Commission on NCDs. www.who.int/ncds/governance/high-level-commission/en/ [Zugriff 14. 2. 2018]


Kläranlagen machtlos gegen bakterielle Erreger

Vor etwa einem Jahr deckte der Norddeutsche Rundfunk auf, dass Flüsse und Trinkwasser in Hyderabad hochgradig mit resistenten Keimen verseucht sind.[1] Die indische Metropole ist eine Hochburg der Pharmaindustrie und die Abwässer sind stark mit Antibiotika belastetet. Neue Recherchen zeigen: Auch deutsche Gewässer sind betroffen.

Im Auftrag des NDR waren Proben aus 12 Flüssen, Bächen und Badeseen in Niedersachsen untersucht worden. Überall fand sich eine hohe Konzentration resistenter Keime. Grund dafür sind Gülle und Gärreste aus Biogasanlagen, mit denen antibiotische Rückstände auf die Felder und ins Wasser gelangen, aber auch Krankenhäuser und Pflegeheime. Der Leiter des Fachbereichs Nosokomiale Infektionen, Surveillance von Antibiotikaresistenz und -verbrauch im Robert Koch Institut (RKI) hält die Befunde für alarmierend.[2] Auch das Umweltbundesamt ist besorgt und bemängelt, dass es keine systematische Probenentnahme gibt.[3] Deutsche Kläranlagen sind ebenso wie indische nicht dafür ausgerüstet, resistente Keime aus Abwässern herauszufiltern. Zwar hält das Bundesumweltministerium eine milliardenschwere Nachrüstung für sinnvoll, doch zuständig sind die Länder.[4] Seit 2016 fördert das Bundesamt für Bildung und Forschung das Projekt HyReKA. Der wissenschaftliche Verbund untersucht die Verbreitung resistenter Keime im Abwasser und entwickelt verbesserte Aufbereitungstechnologien. Solche Innovationen weltweit verfügbar zu machen wäre essentiell für die globale Gesundheit - Antibiotika-Einträge zu reduzieren ebenfalls. (SK, CJ)

Artikel aus dem Pharma-Brief 2/2018, S. 2

[1] Schaaber J (2017) Resistente Keime in Indien. Pharma-Brief 5/2017, S. 1

[2] Baars C. Lambrecht O (2018) Gefährliche Keime in Bächen, Flüssen und Seen. NDR Panorama, 6.2.2018. www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Gefaehrliche-Keime-in-Baechen-Fluessen-und-Seen,keime302.html

[3] Die Zeit (2018) Antibiotika-resistente Keime in Gewässern gefunden. 6 .2. 2018. www.zeit.de/news/2018-02/06/antibiotika-resistente-keime-in-gewaessern-gefunden-180206-99-948188 [Zugriff 20.2.18]

[4] NDR (2018) Fragen und Antworten zu Keimfunden in Gewässern. 6. 2. 2018. www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Fragen-und-Antworten-zu-Keim-Funden-in-Gewaessern,keime304.html [Zugriff 20.2.18]


Malaria, Dengue & Co breiten sich aus

Klimaveränderungen haben gravierende Folgen für die Gesundheit – besonders in armen Ländern. Die Pharma-Kampagne wird dieses wichtige Thema 2018 intensiv beleuchten, Forschungslücken benennen und sich für Klimaschutzziele stark machen.

Im globalen Süden sind die Auswirkungen der Erderwärmung schon jetzt deutlich zu spüren: Stürme, Überschwemmungen oder auch ex­treme Dürreperioden verursachen langfristige Gesundheitsprobleme. Aber auch viele Krankheiten werden durch den Klimawandel begünstigt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet bis Mitte des 21. Jahrhunderts mit einem deutlichen Anstieg von Herz-Kreislauf-, Atemwegs- oder Nieren-Erkrankungen als direkter Folge des Klimawandels.[1] Massive gesundheitliche Probleme bereiten zusätzlich indirekte Effekte klimatischer Veränderung: In wärmerem Wasser können z. B. mikrobielle Keime schneller wachsen und länger überleben. Das begünstigt z. B. Wurmerkrankungen wie Bilharziose oder Durchfall-Erkrankungen wie Cholera.

Klimawandel kostet Menschenleben

Viele Erreger von Infektions­krank­heiten müssen im Lauf ihrer Entwicklung im Freien überleben oder sie werden durch Zwischenwirte wie Zecken, Milben, Würmer oder Insekten übertragen. Beide Gruppen sind völlig von der Umgebungstemperatur abhängig – man bezeichnet sie als ektotherme Organismen. Bei höheren Temperaturen können sie sich schneller vermehren, entwickeln und verbreiten. Und auch die sogenannte Inkubationszeit – die Zeit zwischen der Aufnahme eines Erregers durch den Wirt und dessen Fähigkeit, den Erreger zu übertragen – verkürzt sich dramatisch.[2] Ein wärmeres Klima und stark variierende Niederschlagsmengen können zudem die geografische Ausbreitung von Krankheitsvektoren – etwa tropischer Mückenarten – stark beeinflussen. Dadurch werden Krankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber in Regionen zurückkehren, aus denen sie bereits erfolgreich verdrängt waren.[3] Maßnahmen zur Vektorkontrolle könnten ebenfalls ihre Wirksamkeit verlieren, warnt die WHO.

Ihren Schätzungen zufolge wird es ab 2030 jährlich 60.000 zusätzliche Todesfälle durch Malaria geben. Durchfall-Erkrankungen werden pro Jahr zusätzlich 48.000 Menschen, insbesondere Kleinkinder, das Leben kosten. Millionen zusätzlicher Krankheitsfälle werden zudem die ohnehin schwachen Gesundheitssysteme extrem fordern.[3]

Dengue-Fieber nimmt zu

Auch die Übertragungswahr­schein­lich­keit von Dengue steigt in den betroffenen Regionen kontinuierlich an. Seit 1990 hat sich die Zahl der Dengue-Fälle in jedem Jahrzehnt verdoppelt. 2013 wa­ren es weltweit 58,4 Millionen Krankheitsfälle, von denen mehr als 10.000 tödlich verliefen. Der Klimawandel ist einer der Faktoren, die erheblichen Einfluss auf diese Entwicklung haben. Beide Vektoren, Tiger- und Gelbfiebermücke, sind auch an der Übertragung anderer Krankheiten, wie Gelbfieber und Zika-Virus beteiligt, die höchstwahrscheinlich ebenso auf den Klimawandel reagieren.[4]

Ein ungebremster Klimawandel werde sämtliche Fortschritte im Bereich öffentliche Gesundheit zunichtemachen, die in den vergangenen 50 Jahren erreicht wurden, warnt die Fachzeitschrift The Lancet.4 Andererseits könnten umfassende und ganzheitliche klimagerechte Handlungsstrategien die größte Gesundheitschance des 21. Jahrhunderts darstellen. Denn sie fördern zugleich einen gesünderen Lebensstil.

Geplante Aktionen

Effektive Klimapolitik ist aus vielerlei Hinsicht überlebenswichtig für unseren Planeten. Sie ist aber auch eine Frage der Gerechtigkeit und des Menschenrechts auf Gesundheit. Unsere Theatertournee wird im September über diese Zusammenhänge informieren. Begleitend gibt es neue Bildungsmaterialien, etwa großformatige Infotafeln, die bei Veranstaltungen eingesetzt werden können sowie Online-Materialien. Ein Pharma-Brief Spezial zum Thema Klimawandel und globale Gesundheit erscheint im Herbst. (CJ)

Artikel aus dem Pharma-Brief 2/2018, S.1

[1] WHO (2015) Climate and Health Country Profiles 2015 – A Global Overview. http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/208855/1/WHO_FWC_PHE_EPE_15.01_eng.pdf?ua=1 [Zugriff 26. 2. 18]

[2] Hutter, Moshammer, Wallner (2017) Klimawandel und Gesundheit. Auswirkungen. Risiken. Perspektiven, Wien: Manz, S.71ff.

[3] WHO (2018) Climate change and health. Verfügbar unter: www.who.int/mediacentre/factsheets/fs266/en/ [Zugriff 22. 2. 2018]

[4] Watts N et al. (2017) The Lancet Countdown on health and climate change: from 25 years of inaction to a global transformation for public health. The Lancet; 391, p 9-10


Malaria-Kontrolle unter Pandemiebedingungen

Gerade die ersten Monate der Pandemie stellten das Malaria-Kontrollprogramm Ghanas auf eine harte Probe. Etliche Präventionsmaßnahmen mussten auf Eis gelegt werden und kreative Lösungen waren gefragt. Dr. Boakye vom nationalen Malaria-Kontrollprogramm berichtet.

Was waren die größten Herausforderungen der Pandemie in Bezug auf ihre Arbeit, Herr Boakye?

Ich würde sagen, dass Covid generell einen großen Einfluss auf alles hatte, was wir in Bezug auf die Gesundheit der Ghanaer und unser nationales Malaria-Kontrollprogramm tun. Von Anfang an, als der erste Fall auftrat, mussten die meisten von uns alles auf Eis legen, was wir für die Malariakontrolle taten. Die meisten leitenden Beamten des öffentlichen Gesundheitswesens wurden dazu aufgerufen, im Kampf gegen Covid-19 zu helfen. So kam unsere Arbeit im Bereich der Malariabekämpfung für eine gewisse Zeit praktisch zum Stillstand. Einige meiner Kollegen und ich selbst waren Teil des Teams, das die Grundsatzdokumente, die wir im Kampf gegen Covid-19 verwendeten, entwickelte. Und einige meiner Kollegen gehörten auch zu dem Team, das aufgestellt wurde, um alle Kontaktpersonen in der Region Accra zu unterweisen. Wir mussten also täglich in die Bezirke fahren, um nach Fällen und Kontakten zu suchen und dafür zu sorgen, dass die Daten an die zuständige Behörde weitergeleitet werden. Und so waren wir etwa zwei Monate lang damit beschäftigt, Covid-19 Aktivitäten durchzuführen. Aber untergeordnete Behörden arbeiteten weiter an Maßnahmen zur Malariakontrolle. Die meisten von uns in höheren Positionen waren an Covid-19 und der Pandemiebekämpfung beteiligt.

Gab es weitere Faktoren, die die Malaria-Kontrolle beeinträchtigt haben?

Wir haben festgestellt, dass die Menschen Angst hatten, ins Krankenhaus zu gehen. Vor allem, weil sie Angst hatten, dass bei ihnen Covid 19 diagnostiziert werden könnte, wenn sie krank waren. Sie sind also nicht in eine Einrichtung gegangen, sondern in die Apotheke, um sich Medikamente zu besorgen. Die Zahl der Krankenhausbesuche ging zurück – auch bei Malaria. Doch wir wissen, dass die meisten Einweisungen in all unseren Einrichtungen im Land normalerweise durch Malaria bedingt sind. Aber im Jahr 2020 hatten wir den niedrigsten Anteil an Einweisungen, die auf Malaria zurückzuführen waren. Wenn man sich den Fünf-Jahres-Trend anschaut, war 2020 der niedrigste Wert zu verzeichnen. Daraus können wir schließen, dass die meisten Menschen Angst hatten, ins Krankenhaus zu gehen, weil sie befürchteten, mit Covid-19 diagnostiziert zu werden und niemand wollte wegen des Stigmas in diese Kategorie eingeordnet werden.

Covid führte zu Stigmatisierung?

Ja, sie war zu dieser Zeit mit Covid-19 verbunden. Und so haben die Leute sogar ihr Fieber versteckt. Ich meine Symptome, nur um in ihren Häusern sicher zu sein. Und dann behandelten sich selbst gegen alle möglichen Krankheiten.

Ist dadurch die Zahl der Todesfälle bei Malaria gestiegen?

Wir wissen nicht, wie hoch die Gesamtzahl der Todesfälle im ganzen Land wirklich ist, weil die Menschen in ihren Häusern gestorben sind, ohne im System erfasst zu werden. Wir können also nicht mit Sicherheit sagen, ob viele Menschen an Malaria oder an anderen Ursachen als Covid-19 gestorben sind, denn zu dieser Zeit konnte man fast jeden als Covid-Patienten einstufen, sobald er Fieber und Symptome einer Infektionskrankheit hatte.

Konnten Sie Ihre Arbeit zu Malaria inzwischen wieder aufnehmen?

Ich würde sagen, dass wir mit der Zeit, als die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit allmählich gelockert wurden, zu unseren Hauptaktivitäten zurückkehrten. Irgendwann in der Mitte des Jahres setzten wir unsere Maßnahmen fort, doch da Covid noch immer existierte, mussten wir unsere Arbeitsweise anpassen.

Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie zu kämpfen?

Wir mussten Desinfektionsmittel kaufen, wir mussten Gesichtsmasken kaufen, wir mussten Geld für den Transport ausgeben, wir mussten viel Geld in die Hand nehmen und im Grunde genommen das Geld für die Ermittlung von Kontaktpersonen aufstocken und einen Teil der uns zur Verfügung stehenden Mittel für den Kampf gegen Covid verwenden. Ich kann Ihnen gar nicht genau sagen, wie viel der uns zur Verfügung stehenden Mittel in Covid geflossen sind. Aber ich weiß, dass es eine ganze Menge war. Ich erinnere mich an einige unserer Interventionen, für die uns am Ende des Jahres das Geld ausging. Und so mussten wir erneut globale Geberorganisationen wie den Global Fund um Unterstützung bitten.

Hat Covid die Malaria-Interventionen verteuert?

Bei den meisten Aktivitäten, die wir durchführen, arbeiten wir mit freiwilligen Helfern aus der Bevölkerung, und wir mussten sie mit genügend Gesichtsmasken, Desinfektionsmitteln für die Hände, Seife und anderen Dingen versorgen, damit sie vor Covid geschützt waren, und außerdem mussten wir wegen der notwendigen sozialen Distanz Anpassungen vornehmen. Wir mussten mehr Autos und Fahrer besorgen und manchmal musste man Busse mieten, um die Beamten und Mitarbeiter unserer Programme sicher befördern zu können. Das alles hat die Kosten für die Durchführung der meisten Maßnahmen erhöht.

Welche Regionen oder Bevölkerungs­gruppen waren von den notwendigen Anpassungen im Malaria-Programm besonders stark betroffen?

Wissen Sie, bei Malaria gibt es in der Regel zwei Hauptgruppen, die besonders gefährdet sind, an Malaria zu erkranken und daran zu sterben. Das sind schwangere Frauen und Kinder unter fünf Jahren. Da die meisten unserer Maßnahmen auf diese Gruppen abzielen, waren sie während der Pandemie am stärksten betroffen, weil wir einige dieser Aktivitäten auf Eis legen mussten, vor allem in der Region Accra. Wegen des Lockdowns haben wir leider einige Menschenleben verloren, vor allem Kinder unter fünf Jahren und schwangere Frauen. Sie sollten eigentlich in die Schwangerenambulanz gehen, um dort die so genannte IPTP-Behandlung zur Vorbeugung gegen Malaria während der Schwangerschaft zu erhalten. Aber die meisten von ihnen konnten wegen der Ausgangsbeschränkung nicht hingehen.

Es gibt auch eine Intervention an Schulen, um mit lang wirkenden Insektiziden behandelte Netze zu verteilen. Und auch das konnte natürlich nicht gemacht werden, weil die Schulen geschlossen waren. So hatten die meisten Schulkinder keinen Zugang zu diesen Bettnetzen. Vor Covid wurden sie jedes Jahr verteilt und auch Kinder unter fünf Jahren und schwangere Frauen bekommen die Netze. Aber wir mussten die meisten dieser Aktivitäten auf Eis legen, weil die Leute, sogar die schwangeren Frauen, gar nicht erst zu den Verteilaktionen kamen.

Sehen Sie noch weitere Auswirkungen auf die Malaria-Kontrolle?

Ich sehe, dass Kinder und schwangere Frauen am meisten unter Malaria leiden, aber auch die Allgemeinheit, weil die Leute falsch diagnostiziert werden, weil sie in die Apotheke gehen, anstatt in eine Gesundheitseinrichtung, um eine Diagnose zu bekommen. Ich bin mir also sicher, dass Menschen, die gegen Malaria behandelt wurden, nicht wissen, ob sie Malaria hatten, weil sie nicht getestet wurden. Jeder nahm z.B. Hydroxychloroquin ohne richtige Diagnose.

Ich habe mich einmal ein bisschen geärgert, als ich in einen der Apothekenläden gegangen bin und eine Zeit lang dagestanden habe und alles beobachtet habe. Und diese Dame verteilte an fast jeden, der hereinkam, weil er Fieber hatte, ein Malariamittel. Ich war ein wenig beunruhigt, denn das ist etwas, wogegen wir immer predigen. Testet die Leute, bevor ihr sie behandelt, wir haben das im Radio und im Fernsehen gesagt, wir haben sie aufgeklärt. Denn die Apotheken können kostenlose Testkits von den Behörden anfordern. Und sie machen trotzdem weiter, und während Covid war es noch schlimmer, weil viele Leute zu ihnen gingen, anstatt in die Gesundheitseinrichtungen.

Die Leute kauften sogar ACTs,[1] wenn jemand Fieber hatte, also Mittel, die wir zur Behandlung von Malaria verwenden, eine Kombinationstherapie auf Artemisinin-Basis. Sie verwendeten das als Prophylaxe gegen Covid. Wir haben davor gewarnt, denn das führt zu Resistenzen gegen diese Medikamente.

Wie haben Sie auf diese Herausforderungen reagiert?

Wir haben verstärkt Massenmedien genutzt, und wir haben festgestellt, dass das sehr effektiv ist. Und wir haben uns auch viel mehr auf ehrenamtliche Helfer verlassen, die jetzt mehr Aufklärungsarbeit leisten, denn sie gehen in die Häuser und klären die Mütter über einige der Dinge auf, die wir tun. Covid hat uns aber auch den Umgang mit IT beigebracht. Wir mussten eine WhatsApp-Plattform einrichten und es gab eine Menge effektiver Kommunikation. Fragen wurden auf der Plattform gestellt, die wir beantworteten und all das, und es war effektiv, ziemlich effektiv.

Artikel aus dem Pharma-Brief 7-8/2022, S.5
Bild © USAID Africa Bureau

[1] ACT: Artemisinin-based combination therapy


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