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Erstmals seit 2012 mehr Geld für vernachlässigte Krankheiten

Wieviel Geld wird in die Forschung und Entwicklung zu vernachlässigten Krankheiten investiert? Der Bericht G-FINDER zeigt für 2016 eine spannende Tendenz. Auch wenn die USA mit Abstand der wichtigste Geldgeber bleibt, legen Indien und Südafrika verhältnismäßig deutlich zu.

Der G-FINDER ist eine Institution.[1] Ein Team um das australische Institut Policy Cures Research stellt jährlich umfangreiche Daten zusammen, wer wieviel Geld in die Erforschung vernachlässigter Krankheiten investiert. Erfasst werden derzeit 33 Erkrankungen. Im Jahr 2016 lagen die weltweiten Aufwendungen für die Erforschung von Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostik bei 3,26 Mrd. US$. Erstmals seit 2012 stiegen die Investitionen wieder an, und zwar um 3,4%. Die meisten Gelder gehen aber in die „großen Drei“ Malaria, HIV und Tuberkulose. Dort sind ebenfalls Steigerungen zu verzeichnen, mit Ausnahme von Tuberkulose (minus 6,8%).

Die übrigen Ausgaben verteilen sich unter anderem auf Wurmerkrankungen, Dengue, Salmonellen-Infektionen, aber auch bestimmte Genotypen von Hepatitis C, die vor allem ärmere Länder betreffen. Für einige Regionen wurden auch bestimmte Auslöser von Lungenentzündung (Streptococcus pneumoniae) und Hirnhautentzündung (Neisseria meningitidis) in die Statistik einbezogen.

Platz 1: USA

Öffentliche Finanzierung spielt mit 64% nach wie vor die wichtigste Rolle, gefolgt von philanthropischen Stiftungen (21%) und der Industrie (16%).[2] Bei den staatlichen Geldgebern ist die Vorreiterrolle der USA ungeschlagen: Sie bringen mit 1,49 Mrd. US$ dreimal so viel Geld auf wie alle anderen Regierungen der Welt.

Mit großem Abstand folgt Großbritannien auf Platz zwei (101 Mio. US$), gefolgt von der EU (77 Mio. US$), Indien (50 Mio. US$) und Frankreich (47 Mio. US$). Deutschland liegt mit einer Fördersumme von 43 Mio. US$ eher im Mittelfeld (Platz 6). Andere bedeutsame Geldgeber sind die Niederlande, Australien, Brasilien, die Schweiz, Japan und Schweden.

Rolle von Wachstumsstaaten

Ein wichtiges Signal setzen drei Schwellenländer: Brasilien, Südafrika und Indien tragen inzwischen 84 Mio. US$ zum Gesamttopf bei und haben damit deutlich zugelegt. Die Förderung der EU ist 2016 stark eingebrochen, was aber vor allem daran liegt, dass das Programm EDCTP zur Förderung klinischer Studien 2016 80% weniger Geld ausgeben konnte als 2015, wo es hohe außerplanmäßige Ausschüttungen gegeben hatte.

Deutschland könnte mehr

Anschaulicher werden die Zahlen, wenn man die Ausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrachtet. Wenn ein Wert von 10 bedeutet, dass ein Land 0,01% seines BIP für vernachlässigte Krankheiten ausgibt, dann liegt die USA mit 8,0 nach wie vor an der Spitze. Großbritannien folgt mit Abstand bei 3,8. Dann kommen schon Südafrika mit 3,2 und Indien mit 2,2. Deutschland folgt erst bei 1,2. Es ist also noch viel Luft nach oben.

Gates

Hinter den philanthro­pischen Geldgebern stecken zwei altbekannte Namen: die Gates Foun­dation und der Wellcome Trust. Diese spielen eine wichtige Rolle für Produktentwicklung und klinische Studien, wogegen die öffentlichen Geldgeber (mit Ausnahme der HIV-Vakzineforschung) hauptsächlich Grundlagenforschung fördern.

Industrie

Das meiste Firmengeld stammt von multinationalen Konzernen. Deren Investitionen stagnieren allerdings seit einigen Jahren. Dass bei der Industrie dennoch ein Wachstum verzeichnet werden kann, ist fast ausschließlich kleinen und mittleren Unternehmen zu verdanken. Vor allem in Ländern mit mittlerem Einkommen haben diese Unternehmen um 30% zugelegt, besonders im Bereich klinische Studien.  (CW)

Artikel aus dem Pharma-Brief 2/2018

[1] Policy Cures Research (2017) Neglected disease research and development: Reflecting on a decade of global investment. www.policycuresresearch.org/g-finder

[2] rundungsbedingte Fehler


Engagement gegen TB ausgezeichnet

Der Memento Forschungspreis für vernachlässigte Krankheiten, den die BUKO Pharma-Kampagne gemeinsam mit Brot für die Welt, Ärzte ohne Grenzen und der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe verleiht, ging in diesem Jahr an Prof. Dr. Martina Sester von der Universität des Saarlandes und Prof. Dr. Dr. Christoph Lange vom Forschungszentrum Borstel.[1]

Forschungspreis

Beide engagieren sich im Forschungsnetzwerk TBnet für die Bekämpfung von Tuberkulose (TB) und eine bessere Versorgung von TB-PatientInnen europaweit. „Mit dem von Prof. Martina Sester und Prof. Christoph Lange aufgebauten Forschungsnetzwerk TBnet ist ein Zusammenschluss von Experten und Institutionen entstanden, die sich der Bekämpfung der TB in beispielhafter Weise widmen. (…) Den Ärztinnen und Ärzten vor Ort eine Ausbildung zu ermöglichen, eine verbesserte Diagnostik anzubieten und die notwendigen Medikamente zur Verfügung zu stellen, ist die große Leistung des TBnet und ein wichtiger Schritt, die Krankheit in Zukunft zu beherrschen“, sagte Jurymitglied Prof. Dr. August Stich, Chefarzt der Tropenmedizinischen Abteilung der Missioklinik Würzburg.

Journalistenpreis

Den Memento Journalistenpreis erhielt der Wissenschaftsjournalist Dr. Jakob Simmank. Mithilfe des Recherchestipendiums möchte er einen Beitrag über die Mesoamerikanische Nephropathie realisieren, einer noch unerklärlichen Epidemie der chronischen Nierenerkrankung, die vor allem ärmere Menschen in Lateinamerika betrifft. (CJ)

Artikel aus dem Pharma-Brief 2/2018

[1] http://memento-preis.de/memento-forschungspreis/s


Diabetes im Fokus

425 Millionen Menschen leiden weltweit unter Diabetes - die meisten davon in Ländern geringen oder mittleren Einkommens. Doch gerade dort haben die PatientInnen wenig Hoffnung auf eine gute Versorgung: Insulin ist in den meisten armen Ländern schlecht verfügbar und die Erkrankung treibt Betroffene und deren Familien häufig in die Armut. Mit einem neuen E-learning-Kurs will die Pharma-Kampagne auf diese Probleme aufmerksam machen. Die Online-Materialien sollen Ende des Jahres erscheinen.

„Zigarettenhersteller dürfen Olym­pia nicht sponsern. Warum darf es Coca-Cola?“,[1] so titelte ein im Guar­dian erschienener Gastbeitrag zur Eröffnung der Winterspiele in Pyeongchang/Südkorea. Eine berech­tigte Frage, denn Werbung für Tabak ist im Rahmen der Spiele zwar seit 1988 verboten - nicht jedoch die für Fast Food-Produkte oder zuckerhaltige Getränke. Die sind aber nicht minder schädlich, fördern sie doch massiv Übergewicht und Folgeerkrankungen wie Diabetes. Trotzdem besteht die unsportliche Allianz von Coca-Cola mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) bereits seit 1928 und soll noch bis mindestens 2020 fortgesetzt werden.[2]

Das Beispiel zeigt einmal mehr die vorherrschende Ignoranz gegenüber Diabetes als wachsendem globalem Gesundheitsproblem. In keiner anderen WHO-Region leben mehr Diabetes-PatientInnen als in der bevölkerungsreichen Westpazifik-Region, zu der auch der diesjährige Gastgeber der Winterspiele zählt.[3] Auch Südkorea selbst verzeichnet steigende Prävalenzraten.[4]

Komplexe Ursachen

So fragmentiert die Datenlage besonders für ärmere Länder noch ist, zeigt sich ein deutlicher Trend: Laut Schätzungen des „Atlas“ der Inter­national Diabetes Foundation (IDF) sind mittlerweile 425 Millionen Menschen weltweit an Diabetes erkrankt, davon leben 79% in Ländern geringen oder mittleren Einkommens.[5] Generell haben Bevölkerungswachstum und steigende Lebenserwartung Einfluss auf die hohen Zahlen. Doch das erklärt nur zum Teil, warum sich die globale Prävalenz zwischen 1980 und 2014 laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) fast verdoppelt hat (von 4,7% auf 8,5%).[6]

Tabakkonsum und Übergewicht

Die Ursachen für diese Dynamik sind komplex, denn die Entstehung von Typ 2 Diabetes, der häufigsten Form der Erkrankung, hängt von vielen Faktoren ab: Neben genetischen Voraussetzungen hat u.a. Tabakkonsum großen Einfluss. Eine zentrale Rolle spielen zudem Übergewicht und Adipositas.[7] Ursächlich dafür ist wiederum der starke Wandel des Lebensstils aufgrund massiver wirtschaftlicher und sozialer Umbrüche in vielen Gesellschaften des globalen Südens. Geringere körperliche Aktivität und veränderte Ernährungsmuster sind oft eine Folge beschleunigter Urbanisierung. Sie treffen auf wenig vorbereitete und schlecht ausgestattete Versorgungssysteme, die bereits bei der Behandlung der vorherrschenden Infektionskrankheiten häufig an ihre Grenzen stoßen.[8]

Engpässe bei Diagnose und Behandlung

In armen Ländern hapert es gewaltig bei der Diagnose und Therapie von Diabetes. Insulin - ein unerlässliches Präparat für Millionen PatientInnen weltweit - ist nur in knapp einem Viertel der Länder mit niedrigem Einkommen generell verfügbar.[9] Fehlende Behandlung schädigt aber wiederum Herz, Blutgefäße, Nieren, Augen und Nerven und führt häufig zu Invalidität. Amputationen der unteren Extremitäten sind bei DiabetikerInnen z. B. 10-20 mal so häufig wie bei Gesunden. Aber Diabetes ist auch verantwortlich für jährlich 1,5 Millionen Todesfälle. Zusätzlich begünstigt ein hoher Blutzucker Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Der Markt für Insulin wird von lediglich drei Anbietern dominiert (Eli Lilly, Novo Nordisk & Sanofi). Auch diese Marktkonzentration begünstigt hohe Preise und sorgt für Engpässe. Eine Studie von Health Action International stellte 2017 fest, dass Insulin in vielen Ländern für PatientInnen schwer zu finanzieren ist. Zudem ist erstaunlicherweise der Preis von älteren Präparaten nicht spürbar gefallen wie es in der Regel der Fall ist.

Preis bleibt hoch

“Der globale Einkaufspreis (…) scheint über die Zeit hinweg unverändert geblieben zu sein - ganz anders als bei anderen NCD-Medikamenten oder HIV-Therapien.”[10] Aber auch an schlichten Blutzucker-Teststreifen oder Injektionszubehör mangelt es in vielen ressourcenschwachen Re­gionen. Zudem ist die Fallfindung miserabel: Die IDF schätzt, dass die Hälfte aller Erkrankten zwischen 20 und 79 Jahren nie eine entsprechende Diagnose erhalten hat.[5] Und auch die Prävention kommt zu kurz. Dabei ließen sich dafür oftmals bestehende Versorgungsstrukturen nutzen.[11]

Wirksame Konzepte gefragt

Um der zunehmenden Verbreitung von Diabetes und anderer nicht übertragbarer Krankheiten (NCDs) Rechnung zu tragen, berief die WHO im Februar eine unabhängige Kommission: Die Independent Global High-level Commission on NCDs soll Strategien und Maßnahmen entwickeln, die geeignet sind, um NCDs wirksam einzudämmen und die Sterberaten zu senken.[12] Gelingt das nicht, werden letztlich auch die nachhaltigen Entwicklungsziele scheitern, deren Umsetzung sich die Vereinten Nationen bis 2030 vorgenommen haben. Die­sen Realitäten muss auch die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe deutscher NROs verstärkt Rechnung tragen.

Neuer E-learning-Kurs

Ein neuer Online-Kurs der BUKO Pharma-Kampagne will MitarbeiterInnen der Entwicklungszusammenarbeit auf diese Herausforderungen vorbereiten. Die E-Learning-Module „Diabetes – die stille Epidemie“ werden derzeit entwickelt und sollen Ende des Jahres auf unserer Website kostenlos zur Verfügung stehen. Ziel ist es, MitarbeiterInnen in Gesundheitsprojekten für die Probleme zu sensibilisieren und damit die Versorgung der PatientInnen, aber auch die Prävention zu verbessern.

Neben medizinischen und epidemiologischen Informationen sowie praktischen Handlungsempfehlungen wird der Kurs eine klinisch-pharmakologische Bewertung häufig eingesetzter Antidiabetika beinhalten.  (MK)

Artikel aus dem Pharma-Brief 2/2018, S. 3
Bild © Brian Finney

[1] The Guardian (2018) Cigarette companies don´t sponsor the Olympics. Why does Coca-Cola?. www.theguardian.com/commentisfree/2018/feb/10/coca-cola-mcdonalds-sponsor-olympics [Zugriff 13. 2. 2018]

[2] Coca-Cola Journey (2016) Die gemeinsame Geschichte von Coca-Cola und den Olympischen Spielen seit 1928. 19.8.2016 https://de.coca-cola.ch/stories/die-gemeinsame-geschichte-von-coca-cola-und-den-olympischen-spielen-seit-1928 [Zugriff 21. 2. 2018]

[3] Nanditha A et al. (2016) Diabetes in Asia and the Pacific: Implications for the Global Epidemic. In: Diabetes Care; Vol. 39, p 472-485

[4] Noh J et al. (2017) Trends in the pervasiveness of type 2 diabetes, impaired fasting glucose and co-morbidities during an 8-year-follow-up of nationwide Korean population, In: Scientific Reports; 7, p 1-7, S. 5

[5] IDF (2017) IDF Diabetes Atlas 2017. www.idf.org/e-library/epidemiology-research/diabetes-atlas/134-idf-diabetes-atlas-8th-edition.html. S. 43 [Zugriff 13. 2. 2018]

[6] WHO (2017) Diabetes Fact sheet. www.who.int/mediacentre/factsheets/fs312/en [Zugriff 13. 2. 2018]

[7] Hu, Frank B (2011) Globalization of Diabetes. The role of diet, lifestlye, and genes. Diabetes Care; Vol. 34, p 1249-1257.

[8] NYT (2018) In Kenya and Across Africa, an Unexpected Epidemic: Obesity. www.nytimes.com/2018/01/.../kenya-obesity-diabetes.html [Zugriff 11. 2. 2018]

[9] Chan M (2016) Opening remarks on World Health Day and the launch of the WHO Global report on diabetes. Geneva, Switzerland, 7 April 2016

[10] HAI (2017) Access to insulin: Current challenges and constraints, Amsterdam, S. 23

[11] WHO (2016) The mysteries of type 2 diabetes in developing countries. In: Bulletin of the World Health Organization, S. 242. www.who.int/bulletin/volumes/94/4/16-030416.pdf [Zugriff 5. 2. 2018]

[12] WHO (2018) WHO Independent High-level Commission on NCDs. www.who.int/ncds/governance/high-level-commission/en/ [Zugriff 14. 2. 2018]


Kläranlagen machtlos gegen bakterielle Erreger

Vor etwa einem Jahr deckte der Norddeutsche Rundfunk auf, dass Flüsse und Trinkwasser in Hyderabad hochgradig mit resistenten Keimen verseucht sind.[1] Die indische Metropole ist eine Hochburg der Pharmaindustrie und die Abwässer sind stark mit Antibiotika belastetet. Neue Recherchen zeigen: Auch deutsche Gewässer sind betroffen.

Im Auftrag des NDR waren Proben aus 12 Flüssen, Bächen und Badeseen in Niedersachsen untersucht worden. Überall fand sich eine hohe Konzentration resistenter Keime. Grund dafür sind Gülle und Gärreste aus Biogasanlagen, mit denen antibiotische Rückstände auf die Felder und ins Wasser gelangen, aber auch Krankenhäuser und Pflegeheime. Der Leiter des Fachbereichs Nosokomiale Infektionen, Surveillance von Antibiotikaresistenz und -verbrauch im Robert Koch Institut (RKI) hält die Befunde für alarmierend.[2] Auch das Umweltbundesamt ist besorgt und bemängelt, dass es keine systematische Probenentnahme gibt.[3] Deutsche Kläranlagen sind ebenso wie indische nicht dafür ausgerüstet, resistente Keime aus Abwässern herauszufiltern. Zwar hält das Bundesumweltministerium eine milliardenschwere Nachrüstung für sinnvoll, doch zuständig sind die Länder.[4] Seit 2016 fördert das Bundesamt für Bildung und Forschung das Projekt HyReKA. Der wissenschaftliche Verbund untersucht die Verbreitung resistenter Keime im Abwasser und entwickelt verbesserte Aufbereitungstechnologien. Solche Innovationen weltweit verfügbar zu machen wäre essentiell für die globale Gesundheit - Antibiotika-Einträge zu reduzieren ebenfalls. (SK, CJ)

Artikel aus dem Pharma-Brief 2/2018, S. 2

[1] Schaaber J (2017) Resistente Keime in Indien. Pharma-Brief 5/2017, S. 1

[2] Baars C. Lambrecht O (2018) Gefährliche Keime in Bächen, Flüssen und Seen. NDR Panorama, 6.2.2018. www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Gefaehrliche-Keime-in-Baechen-Fluessen-und-Seen,keime302.html

[3] Die Zeit (2018) Antibiotika-resistente Keime in Gewässern gefunden. 6 .2. 2018. www.zeit.de/news/2018-02/06/antibiotika-resistente-keime-in-gewaessern-gefunden-180206-99-948188 [Zugriff 20.2.18]

[4] NDR (2018) Fragen und Antworten zu Keimfunden in Gewässern. 6. 2. 2018. www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Fragen-und-Antworten-zu-Keim-Funden-in-Gewaessern,keime304.html [Zugriff 20.2.18]


Malaria, Dengue & Co breiten sich aus

Klimaveränderungen haben gravierende Folgen für die Gesundheit – besonders in armen Ländern. Die Pharma-Kampagne wird dieses wichtige Thema 2018 intensiv beleuchten, Forschungslücken benennen und sich für Klimaschutzziele stark machen.

Im globalen Süden sind die Auswirkungen der Erderwärmung schon jetzt deutlich zu spüren: Stürme, Überschwemmungen oder auch ex­treme Dürreperioden verursachen langfristige Gesundheitsprobleme. Aber auch viele Krankheiten werden durch den Klimawandel begünstigt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet bis Mitte des 21. Jahrhunderts mit einem deutlichen Anstieg von Herz-Kreislauf-, Atemwegs- oder Nieren-Erkrankungen als direkter Folge des Klimawandels.[1] Massive gesundheitliche Probleme bereiten zusätzlich indirekte Effekte klimatischer Veränderung: In wärmerem Wasser können z. B. mikrobielle Keime schneller wachsen und länger überleben. Das begünstigt z. B. Wurmerkrankungen wie Bilharziose oder Durchfall-Erkrankungen wie Cholera.

Klimawandel kostet Menschenleben

Viele Erreger von Infektions­krank­heiten müssen im Lauf ihrer Entwicklung im Freien überleben oder sie werden durch Zwischenwirte wie Zecken, Milben, Würmer oder Insekten übertragen. Beide Gruppen sind völlig von der Umgebungstemperatur abhängig – man bezeichnet sie als ektotherme Organismen. Bei höheren Temperaturen können sie sich schneller vermehren, entwickeln und verbreiten. Und auch die sogenannte Inkubationszeit – die Zeit zwischen der Aufnahme eines Erregers durch den Wirt und dessen Fähigkeit, den Erreger zu übertragen – verkürzt sich dramatisch.[2] Ein wärmeres Klima und stark variierende Niederschlagsmengen können zudem die geografische Ausbreitung von Krankheitsvektoren – etwa tropischer Mückenarten – stark beeinflussen. Dadurch werden Krankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber in Regionen zurückkehren, aus denen sie bereits erfolgreich verdrängt waren.[3] Maßnahmen zur Vektorkontrolle könnten ebenfalls ihre Wirksamkeit verlieren, warnt die WHO.

Ihren Schätzungen zufolge wird es ab 2030 jährlich 60.000 zusätzliche Todesfälle durch Malaria geben. Durchfall-Erkrankungen werden pro Jahr zusätzlich 48.000 Menschen, insbesondere Kleinkinder, das Leben kosten. Millionen zusätzlicher Krankheitsfälle werden zudem die ohnehin schwachen Gesundheitssysteme extrem fordern.[3]

Dengue-Fieber nimmt zu

Auch die Übertragungswahr­schein­lich­keit von Dengue steigt in den betroffenen Regionen kontinuierlich an. Seit 1990 hat sich die Zahl der Dengue-Fälle in jedem Jahrzehnt verdoppelt. 2013 wa­ren es weltweit 58,4 Millionen Krankheitsfälle, von denen mehr als 10.000 tödlich verliefen. Der Klimawandel ist einer der Faktoren, die erheblichen Einfluss auf diese Entwicklung haben. Beide Vektoren, Tiger- und Gelbfiebermücke, sind auch an der Übertragung anderer Krankheiten, wie Gelbfieber und Zika-Virus beteiligt, die höchstwahrscheinlich ebenso auf den Klimawandel reagieren.[4]

Ein ungebremster Klimawandel werde sämtliche Fortschritte im Bereich öffentliche Gesundheit zunichtemachen, die in den vergangenen 50 Jahren erreicht wurden, warnt die Fachzeitschrift The Lancet.4 Andererseits könnten umfassende und ganzheitliche klimagerechte Handlungsstrategien die größte Gesundheitschance des 21. Jahrhunderts darstellen. Denn sie fördern zugleich einen gesünderen Lebensstil.

Geplante Aktionen

Effektive Klimapolitik ist aus vielerlei Hinsicht überlebenswichtig für unseren Planeten. Sie ist aber auch eine Frage der Gerechtigkeit und des Menschenrechts auf Gesundheit. Unsere Theatertournee wird im September über diese Zusammenhänge informieren. Begleitend gibt es neue Bildungsmaterialien, etwa großformatige Infotafeln, die bei Veranstaltungen eingesetzt werden können sowie Online-Materialien. Ein Pharma-Brief Spezial zum Thema Klimawandel und globale Gesundheit erscheint im Herbst. (CJ)

Artikel aus dem Pharma-Brief 2/2018, S.1

[1] WHO (2015) Climate and Health Country Profiles 2015 – A Global Overview. http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/208855/1/WHO_FWC_PHE_EPE_15.01_eng.pdf?ua=1 [Zugriff 26. 2. 18]

[2] Hutter, Moshammer, Wallner (2017) Klimawandel und Gesundheit. Auswirkungen. Risiken. Perspektiven, Wien: Manz, S.71ff.

[3] WHO (2018) Climate change and health. Verfügbar unter: www.who.int/mediacentre/factsheets/fs266/en/ [Zugriff 22. 2. 2018]

[4] Watts N et al. (2017) The Lancet Countdown on health and climate change: from 25 years of inaction to a global transformation for public health. The Lancet; 391, p 9-10


Hier finden Sie eine separate Auflistung des Pharma-Brief Spezial. Dies sind Sonderausgaben, die sich auf unterschiedliche Themenschwerpunkte konzentrieren.

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